Wie bist Du zur Kunst gekommen? Was bedeutet Kunst für Dich?
Nach einer Ausbildung, meiner Familienphase und 12 Jahre Arbeit in einem sozialen Bereich, bin ich 2010 zu meiner freiberuflichen Tätigkeit als Fotografin, Künstlerin und Projektentwicklerin gekommen. Diese Zeit hat mich sehr geprägt und mich zu meiner heutigen Kunst geführt und inspiriert. Mir ist wichtig, dass meine Arbeit Sinn macht, mich erfüllt, sie abwechslungsreich und spannend, einfach Teil meines Lebens ist. Das habe ich jetzt gefunden.
An/in/mit welchen künstlerischen Stilen oder Gestaltungsformen arbeitest Du? Was reizt Dich gerade daran?
Mal arbeite ich dokumentarisch, mal inszeniere ich Themen. Welche Themen ich habe, ergibt sich daraus, wo ich bin. Genau darin liegt der Reiz: sich nicht festzulegen, einfach zu machen, mit Lust und Freude am Tun. Ich nutze die Kunst auch als ‘Übersetzer‘ in meiner Projektarbeit, zum Beispiel indem ich die Teilnehmer*innen ihre inneren Bilder über die Fotografie nach außen bringen lasse. Die Möglichkeit zu haben, über das kreative künstlerische Arbeiten so vieles freizusetzen, das lässt mich oft beflügelt und bereichert nach Hause fahren.
Wie ergeht es Dir in der „Corona-Zeit“? Sind ggf. neue Projekte/Ideen entstanden?
Das ist unterschiedlich. Im Frühjahr 2020 habe ich die Arbeit ‚Blütezeit‘ gemacht. Der Lockdown hatte etwas Nichtfassbares, Bedrohliches, gleichzeitig Stilles und Schönes. Es hat mich angezogen, ich musste im Garten und auf langen Spaziergängen Bilder einfangen. Bilder von Schatten, vom Wind, von Verschwommenem, Diffusem. Alles wirkte. Es war für mich irgendwie faszinierend, wenngleich auch unheimlich. Ich habe diese innere und äußere Stille aufgesogen. Es flogen keine Flugzeuge und es gab kaum Autobahngeräusche. In diesem Jahr empfinde ich den Lockdown ganz anders. Es ist nüchterner, abgeklärter, lauter. Irgendwie ist es eine neue Normalität, nicht wissend was morgen wieder anders ist. Mehr so ein Hin- und Her-Geschiebe. In der Summe geht es mir ausgesprochen gut. Ich orientiere mich an dem Positiven, versuche das Beste aus der Situation zu machen. Ich bin dankbar für alles, was ich habe. Neue Projekte sind aus dieser Situation auch entstanden, wie zum Beispiel das Park Side Gallery Projekt. Ideen habe ich natürlich viele. Ich trau mich das fast gar nicht zu sagen, aber dieses Jahr ist ein ganz besonderes Jahr in vielerlei Hinsicht. Aber ich hoffe, ich kann damit auch anderen Mut machen.
Wie kam es zu Deiner Mitwirkung an der Park Side Gallery? Was findest Du speziell an dem Konzept reizvoll?
Wir können im Drinnen nicht ausstellen, also war mein Gedanke ins Draußen zu gehen. Dann habe ich ein Konzept geschrieben und mir überlegt, wen ich gern dabei hätte. Menschen, mit denen man gern zusammenarbeitet und gute Kunst sollte es natürlich auch sein. So ist eine Künstlerinnengruppe entstanden, die wirklich Spaß macht. Mit Marion Thomsen von der BLSK habe ich dann über die Idee gesprochen und sie war auch gleich begeistert dabei und hat sich im Brainstorming den schönen Namen für das Projekt ausgedacht. Auch habe ich schon häufiger Projekte in Parkanlagen durchgeführt und in diesen besonderen Zeiten ist es ja eigentlich das Naheliegendste. Es muss nicht immer hochkomplex und besonders sein. Oftmals sind die einfachen Dinge die besten. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Die Menschen können einfach beim Spazierengehen der Kunst begegnen. Es gibt keine Hemmschwelle eine Galerie zu betreten und man muss sich nicht an Öffnungszeiten halten. Viele, die sonst eher keine Galeriegänger oder Museumsbesucher sind, werden so spielerisch an die Kunst herangeführt. Die Planen mitten im Park, sich im Wind bewegend, vielleicht noch Vogelgezwitscher dabei und man kann sich normal laut, nicht flüsternd, mit seinem Nachbarn austauschen. Das ist eine ganz andere Sinneserfahrung. Eine Besonderheit an diesem Konzept ist auch, dass wir sechs Frauen sind, die in sechs Städten insgesamt sechs Monate in monatlichem Wechsel unsere Arbeiten ausstellen. So bleibt es ein halbes Jahr lang spannend. Es macht mir auch viel Freude, mit meinen Künstlerinnenkolleginnen das Projekt zusammen als Team umzusetzen, auch wenn ich als Projektleitung natürlich verantwortlich bin. Wir tauschen uns regelmäßig in unserem virtuellen Raum aus, sodass alles immer transparent ist. Das ist eine tolle Zusammenarbeit und eine schöne Erfahrung. Ich möchte mich auch an dieser Stelle nochmal ganz herzlich bei unseren Unterstützern für die Förderung dieses Projektes bedanken! Auch bei den Zuständigen in den jeweiligen Städten, die uns mit Aufbauhilfen und Anderem gut versorgen. Vielen Dank dafür! Schön finde ich auch, dass die Lebenshilfe mit eingebunden ist und sie die Planen anschließend zu Artbags verwandeln. Das ist ein schöner Aspekt zur Nachhaltigkeit.
Durch die dezentrale Open-Air-Ausstellung wird das Projekt vielen Menschen niedrigschwellig in vielen Städten gleichzeitig zugänglich gemacht. Welche Rolle spielt die Kunst aus Deiner Sicht in dieser „herausfordernden“ Zeit?
Sie ist ganz besonders wichtig. Sie ist ein Spiegel der Gesellschaft und der Zeit, in der wir leben. Die Kunst kann Hoffnung und Mut geben, ablenken oder nachdenklich machen. Sie kann anregen, Lösungen aufzeigen, Fragen aufwerfen, Perspektiven wechseln, herausfordern, mitreißen, Freude bereiten… Sie ist so vielfältig wie die Menschen, die Kunst leben oder die Menschen, die Kunst betrachten. Und mit diesem Projekt wollen wir aufzeigen, dass immer etwas geht. Vielleicht ist das auch eine der Kernbotschaften, neben dem, was wir mit unseren Arbeiten aussagen.
Was für Motive/Werke hast Du für die Ausstellung ausgewählt? Wovon erzählen sie?
Sie erzählen von meinem Empfinden in der ersten Phase des Lockdowns. Und obwohl ich mein Gefühl des Diffusem, Nichtfassbaren zeige, zeige ich auch die Hoffnung und die ‘Blütezeit‘, wohlwissend, dass die Blüten im nächsten Jahr auch wieder aufblühen werden. Die gesamte Ausstellung hängt in der Landesmusikakademie zu den täglichen Öffnungszeiten, noch bis Ende Oktober 2021.
Welche Botschaft möchtest Du den Zuschauenden der Ausstellung mit auf den Weg geben? Was ist Dir wichtig?
Für die Ausstellung: nehmt wahr, nehmt euch Zeit, verweilt. Lasst euch gern auf die Werke der einzelnen Künstlerinnen ein. Genießt es. Was mir wichtig ist? Das Leben annehmen und das Beste daraus machen. Den Mut nicht verlieren und sich positiv ausrichten. Einfach ins Tun kommen und wenn möglich, Menschen mitnehmen, die diese Fähigkeit vielleicht nicht haben. Vielleicht zeigt ja auch diese Ausstellung, dass man selbst unter diesen besonderen Umständen irgendwie doch zu Lösungen finden kann.
Was wünscht Du Dir für 2021?
Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft mehr im Miteinander leben. Für unseren Berufsstand wünsche ich mir, dass unser Beruf, der wirklich unsere Berufung ist, mehr wertgeschätzt wird. Wir sind wichtig. In diesem Zusammenhang fände ich das bedingungslose Grundeinkommen sehr nützlich. Was für Projekte oder Ideen reizen Dich für die Zukunft? Es gibt ein neues Projekt einTRACHTEN bei dem ich in diesem Jahr als fotografische Leitung dabei sein darf. Auch würde ich gern weiterhin mit Kindern und Jugendlichen, ihrem Erleben in der Coronazeit und inneren Bildern, arbeiten. Das habe ich jetzt in verschiedenen Schulen umgesetzt und sehe, dass es nach wie vor sehr wichtig ist, das Thema zu bearbeiten. Das Projekt 'Würde - eine interaktive Kunstausstellung in Bild und Tat' ist für das nächste Jahr in Dortmund geplant. Ich würde mich sehr freuen, so das Thema und die Idee weitergetragen würden. Dann gibt es noch eine Projektbewerbung zum Thema 75 Jahre Demokratie in Niedersachsen, in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Wolfenbüttel. Es sind viele Themen die mich reizen. Vieles passiert und begegnet einem, wenn die Zeit dafür reif ist. Manches lasse ich auch auf mich zukommen, aber langweilig wird es bestimmt nicht. Und so begegne ich anderen Menschen, neuen Aufgaben und alles ist irgendwie immer im Fluss. Leben und arbeiten fließen ineinander - und das ist sehr schön. Noch ein Hinweis: die gesamte Ausstellung 'Blütezeit', ist in der Landesmusikakademie Niedersachsen in Wolfenbüttel, zu den täglichen Öffnungszeiten, noch bis Ende Oktober 2021 zu sehen.